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Eine Interpretation von
Skorpion
Interpretiert und nidergeschrieben von
Andreas Görlitz
© by Andreas Görlitz
(kopieren und weitergeben erlaubt)
 Skorpion
Die Parabel “Skorpion”, welche von Christa Reinig geschrieben und 1972 von Marcel-Reich-
Ranicki in München herausgegeben wurde, handelt von einer Person (Skorpion), die wegen ihrer
äußerlichen Kriterien von der Gesellschaft diskriminiert wird.
Die Person, um die es in der gleichnamigen Parabel geht, isoliert sich aufgrund vieler Vorurteile
seiner Mitmenschen in ihre eigene Welt, die hauptsächlich aus Büchern besteht. Diese Welt verlässt
die Hauptperson, nachdem sie all ihre Bücher durchgelesen hatte, um sich neue Bücher zu kaufen.
Auf dem Weg zur Buchhandlung bittet eine kurzsichtige Frau den Skorpion, wie die Hauptperson
auch genannt wird, ihr einen Geldschein zu wechseln. Der Skorpion tut dies ohne jedoch dabei sein
Geld zu verdoppeln und zeigt somit, dass er nicht hinterlistig ist. Bevor er in der Buchhandlung
ankommt, widerlegt der Skorpion in zwei weiteren Situationen, dass er jähzornig und unstillbar
neugierig ist. In der Buchhandlung beweist die Hauptperson, dass sie nicht Kriminell ist, indem sie
dem Gedanken widersteht, das Buch, welches sie schon immer Haben wollte, sich aber wegen
unausreichenden Finanzen nicht leisten kann, zu stehlen. Nachdem der Skorpion auf ein Buch, zu
Gunsten eines anderen Bücherfreundes, verzichtet belohnt ihn der Buchhändler für seine
Gutmütigkeit mit dem Buch, dass der Skorpion schon immer haben wollte. Der Skorpion umarmt
das Buch fest mit beiden Armen und reicht dem Buchhändler zum dank seinen todbringenden
Stachel.
Vor lauter Freude dachte der Skorpion nicht mehr nach, sondern handelte spontan. Dies wurde ihm
und dem Buchhändler zum Verhängnis.
Christa Reinig thematisiert in dieser Parabel die Problematik der menschlichen Identität in einer von
Vorurteilen geprägten Gesellschaft. Dabei versucht Reinig zu vermitteln, dass die geistigen
Fähigkeiten eines Menschen viel wertvoller sind als seine äußerliche Erscheining.
Die Überschrift des Textes zeigt, dass es von einem Skorpion handelt. Dabei kann man Skorpion als
eine Metapher für einen einsamen Menschen sehen.
Der Text selbst ist fortlaufend in 27 Zeilen niedergeschrieben. Man könnte den Text in folgende
drei Sinnabschnitte unterteilen:
1.
Aufgrund seiner äußerlichen Eigenschaften zieht sich die Hauptperson (der Skorpion) von der
Öffentlichkeit zurück. (Zeilen 1-7)
Vier Satzpaare mit negativem Urteil werden durch verdoppelung verstärkt und verdeutlicht
(“Das Bedeutete [...]”) ganz im Gegenteil der positiven Charaktaresierung im Einleitungssatz
(“Er war sanftmütig und freundlich”).
2.
Gezwungen die eigene Isolation zu verlassen bemüht sich die Hauptperson seine negativen
Eigenschaften zu widerlegen. (Zeilen 8-25)
Durch wechsel vom Pronomen “Er” zum Nomen “Skorpion” wird die angenommene Identität
dargestellt. Desweiteren wird die Pseudo-Identität durch dreifache Wiederholung der Formel
“Der Skorpion dachte” mit der erneuten Artikulation der Negativurteile gefestigt.
3.
Die Spontanität und Kopflosigkeit der Hauptfigur wird ihm und einem anderen Mitmenschen
zum Verhängnis. (Zeilen 25-27)
Die emotionale Parallelität zwischen dem Bücherfreund und dem Skorpion wird in wörtlicher
Wiederholung wiedergegeben. Die abschlißende und überraschende Pointe (Skorpion tötet
Buchhändler mit seinem Stachel) zeigt die Wirkung und die Korrektheit der Vorurteile.
“Skorpion” wird vom personellen Erzähler (vom Skorpion) wider gegeben, sodass man Einblicke in
die Gefühle und Gedanken des Skorpions bekommt und so mit ihm besser mit zu fühlen.
Wie schon erwähnt ist “Skorpion” eine Parabel. Die verdeutlichen die Fakten, dass hier zum einen
zwei Vorstellungsbereiche miteinander verbunden werden (Skorpion als Metapher für abstoßenden
Mensch) und zum anderen am Ende des Textes wieder eine Umwandlung ins Irreale erfolgt (der
Skorpion tötet den Buchhändler mit seinem Stachel), so wie es bei modernen Parabeln üblich ist.
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